Nils Mohl am MCG

 

Tüchtig gemogelt wird in der Geschichte, die authentischer kaum sein könnte. Der Hamburger Autor Nils Mohl stellte den Schüler_innen des Jahrgangs 12 seinen neuen Roman "Mogel" just an dem Tag vor, an dem das Buch erschien. Ein wenig wurde vorgelesen, viel im Anschluss diskutiert. Im Zentrum stand dabei das Erwachsenwerden im Hamburger Osten – kein dem Publikum unvertrautes Feld.

 

Als er vorliest, wie der als Mädchen verkleidete Miguel die Blicke des Kassierers an der Vorstadt-Tankstelle auf sich zieht, erwähnt Mohl in einer Zwischenbemerkung, ihm habe eine der beiden Barsbütteler Tankstellen vorgeschwebt. Das Lachen im Publikum zeigt: Man versteht sich. Mohl, einst Schüler am Gymnasium Marienthal, kennt das Leben am Stadtrand aus seiner eigenen Jugend. Er hat früher einmal in einer Jenfelder Wohnung, später in einem Barsbütteler Reihenhaus gewohnt. 

 

Hochhaussiedlungen, die an Jenfeld erinnern, umgeben die Protagonisten früherer Werke Mohls, etwa in dessen mehrfach ausgezeichnetem Roman "Es war einmal Indianerland", ebenfalls einem Coming-of-age-Roman. In "Mogel" nun bildet die Vorstadt mit ihren Reihenhäusern das Szenario, dessen Erinnerung Mohl im Schreibprozess zugleich verändert, wie er sagt.

Die Geschichte beginnt im Partykeller, in dem vier Jugendliche beschließen, dass einer von ihnen den weiteren Abend in Mädchenkleidern verbringen und so auch die Disko ("ChakaBum!") besuchen soll. Dort wird im weiteren Handlungsverlauf die launige Idee völlig aus dem Ruder laufen. Gemogelt wird dabei allerorten, die äußere Verkleidung findet Entsprechungen auch in Prahlereien und Verstellungen der Jugendlichen untereinander. 

 

Souverän spielt Mohl nicht nur mit Milieus und Situationen, die er witzig und zugleich gekonnt bodenständig einfängt. Eindrücklich, facettenreich und glaubwürdig bringt er den Leser_innen vor allem die Adoleszenz nahe: mit all ihren Überheblichkeiten und Ängsten, ihrer Selbstbezogenheit und Suche nach Orientierung, ihrem Spaß und Ernst. "Erwachsenwerden hat viel damit zu tun, herauszufinden, wer man mal sein will", sagt Mohl im Gespräch mit den Schüler_innen, "und damit, dass man sich anderen Leuten öffnen muss".

 

Das Schreiben und Veröffentlichen mache ihm viel Spaß, erklärt er später, die erlebte Wirklichkeit neu zu durchleben und so die Erinnerung zu verändern, das gefalle ihm ebenso wie das Gefühl, etwas in die Welt zu tragen und dabei vielleicht auf Leser zu stoßen, denen das Buch etwas bedeutet.

Mohl hat sich viele Freiheiten erarbeitet, auch das dürfte die Freude am Arbeiten erhöhen. Seine Bücher erscheinen längst im Rowohlt-Verlag, wo er volle Gestaltungsfreiheit genießt. Selbst das Cover, so erklärt er auf die Frage eines Schülers hin, habe er von einem seiner Freunde nach eigenen Vorstellungen anfertigen lassen: ganz ohne die sonst so häufigen Fotos, die Mohl auf Buchumschlägen nicht immer schätzt. 

 

Dass Mohl am Schreiben jede Menge Freude hat, merkt der Leser des neuen Romans sofort. Kein Wunder, dass sich dieser Eindruck auch auf das Publikum übertrug, das die Veranstaltung schließlich begeistert verließ.